Was bedeutet Traumagedächtnis?

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Was bedeutet Traumagedächtnis?


Unabhängig davon, wie lange ein Trauma zurückliegt, teilen alle Betroffenen einer PTBS die Erfahrung, dass sie von den Erinnerungen an das Trauma nicht losgelassen werden. Das ungewollte Wiedererleben des Traumas in Form von Bildern und Sinneseindrücken ein wesentliches Merkmal der PTBS.

Anders als bei Erinnerungen an andere Lebensereignisse, haben die an das Trauma jedoch eine „Hier und Jetzt – Qualität“. Das heißt, dass die Bilder oder damit verbundene Gefühle sehr stark und real erscheinen – so, als würde das Trauma gerade noch einmal passieren. Der Betroffene erlebt eine aktuelle Bedrohung, obwohl gar keine reale Gefahr besteht, und spürt dieselben Gefühle, die er auch während des Traumas gespürt hat (z.B. Panik, Todesangst oder Verzweiflung).

Die Wissenschaft geht davon aus, dass dieser Effekt an einer unvollständige Gedächtnisverarbeitung des Traumas liegt. Normalerweise sorgt unser Gehirn dafür, dass Erlebnisse in verarbeiteter Form im Gedächtnis abgespeichert werden. Ein traumatisches Erlebnis ist jedoch so außergewöhnlich und überwältigend, dass es nicht möglich ist, dieses schnell und geordnet zu verarbeiten.

Es wird angenommen, dass bei der PTBS das Trauma sowohl in seiner Bedeutung ungenügend verarbeitet als auch ungenügend in einen inhaltlichen und zeitlichen Kontext integriert ist.

Erinnerungen werden in einer „Rohform“ abgespeichert, die dadurch gekennzeichnet ist, dass insbesondere Gefühle, Sinneseindrücke und auch Körperempfindungen, aber nur wenige geordnete Gedanken enthalten sind. Außerdem fehlt die Einbettung in ein Netzwerk von anderen Erinnerungen.

Die folgende Metapher verdeutlicht die Funktionsweise des Traumagedächtnisses anschaulich [1a]:

 

„Die Besonderheiten der Traumaerinnerungen lassen sich vielleicht am besten in einem Bild zusammenfassen. Dabei kann man sich das Gedächtnis wie einen Schrank vorstellen. Alltägliche Erinnerungen werden in diesem Schrank abgelegt, indem sie zunächst ordentlich gefaltet (d.h. verarbeitet) und dann an einen passenden Ort gelegt (z.B. mit ähnlichen Erinnerungen und relevanten Informationen verbunden) werden. Daher können diese Erinnerungen bei Bedarf wieder hervorgeholt werden, sie fallen aber nur selten von allein aus dem Schrank heraus. Die Speicherung der Traumaerinnerung im Gedächtnis kann hingegen mit der Situation verglichen werden, dass viele Dinge ungeordnet ganz schnell in diesen Schrank hineingeworfen werden, sodass man die Tür nicht ganz schließen kann. Die Tür wird daher häufig aufgehen und die Dinge werden wieder aus dem Schrank herausfallen.“ (aus Ehring & Ehlers, 2019)

Obwohl Betroffene einer PTBS oft Situationen vermeiden, die sie an das Trauma erinnern, leiden sie dennoch unter ungewolltem Wiedererleben des Traumas. Häufig treten die Erinnerungen vollkommen unerwartet und ohne ersichtlichen Grund auf, was für die Betroffenen besonders erschreckend ist.

Die Auslöser für die Bilder sind oft schwer zu erkennen, da sie keinen direkten Bezug zum Trauma aufweisen müssen, sondern lediglich ähnliche Körperempfindungen und Sinneseindrücke (z.B. aufgrund ähnlicher Gerüche, Geräusche etc.) erzeugen.

Grund für diese Verbindung ist ein natürlicher Lernprozess, bei dem ein extrem emotional bedeutsamer Reiz (meist Todesangst) mit einem oder mehreren Gedanken und mit körperlichen Reaktionen verknüpft wird. Der spontane Aufbau dieser sogenannten „Furchtstruktur“ nach einem Trauma ist ganz normal und erfüllt eine wichtige Warnfunktion für mögliche spätere Gefahren.

Normalerweise verblasst diese Verknüpfung wieder, wenn der gelernte Gefahrenreiz mehrmals ohne unangenehme Konsequenz auftritt. Im Falle einer PTBS kommt es allerdings nicht zu einer spontanen Rückbildung der Furchtstrukturen nach Tagen oder Wochen. In Gegenteil – die Angstreaktion kann sich sogar auf ähnliche Reize ausweiten, sodass im Alltag viele, eigentlich harmlose Reize, die in irgendeiner Weise mit dem Trauma verbunden sind, das Wiedererleben auslösen können.

Zusammengefasst lässt sich zum Traumagedächtnis sagen [1b]:

 

Während des Traumas sind Betroffene mit der Verarbeitung des Ereignisses überfordert.

Dies führt dazu, dass v.a. die Sinneseindrücke, Gefühle und Körperempfindungen des Traumas – in Rohform – im Gedächtnis gespeichert werden.
Auch ist die Erinnerung an die schlimmsten Momente des Traumas nur mangelhaft mit Informationen verbunden, die für ihre Bedeutung wichtig sind (z.B. wenn der Ausgang des Ereignisses besser war als befürchtet oder Gründe für das eigene Verhalten?).

Die Erinnerung kann durch viele verschiedene Schlüsselreize ausgelöst werden, die oft einfache Sinneseindrücke (z.B. Gerüche, Geräusche, gesehene Objekte) darstellen.

Das Wiedererleben ist von denselben starken Emotionen und Körperempfindungen begleitet, die während des Traumas erlebt wurden und vermittelt so den Eindruck, dass das Trauma „hier und jetzt“ noch einmal passiert. (aus Ehring & Ehlers, 2019)

Quellennachweise:

[1a]: Ehring, T., & Ehlers, A. (2012). Ratgeber Trauma und Posttraumatische Belastungsstörung (Vol. 25). Hogrefe Verlag. S. 28.
[1b]: Ehring, T., & Ehlers, A. (2012). Ratgeber Trauma und Posttraumatische Belastungsstörung (Vol. 25). Hogrefe Verlag. S. 30.

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