Behandlung von Traumafolgestörungen

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[1] Therapiekomponenten: Überblick


Generelles Therapieziel ist, das ehemals überwältigende Traumaereignis zum integrierten Teil der persönlichen Geschichte zu machen und das Selbsterleben des traumatisierten Menschen von dem eines hilflosen Opfers hin zu einem handlungsfähigen Menschen zu wandeln. In der Therapie soll das „Leben wieder zurück erobert werden“.

Um dieses Ziel zu erreichen gibt es drei Komponenten, die ineinandergreifen:

Eine wesentliche Komponente ist die Ressourcenaktivierung. Sie dient dem Aufbau bzw. dem Wiederfinden innerer Stärken. Hierzu gehört auch die Information über das Krankheitsbild und dessen Behandlungsmöglichkeiten.

Die zweite Behandlungsphase beinhaltet die Aufarbeitung der traumatischen Erinnerungen selbst (Trauma-Exposition) durch die stufenweise, kontrollierte Konfrontation mit dem erinnerten Trauma-Ereignis mittels spezieller Techniken (Reizkonfrontation). Kommt es hierdurch zu einer Integration des Traumas in das autobiographische Gedächtnis, so reduzieren sich auch die beschriebenen Symptome und Begleiterkrankungen in eindrucksvoller Weise.

In der dritten Behandlungsphase (Neuorientierung) steht die Trauer um die traumabedingten Einschränkungen und Verluste im Leben der Betroffenen im Mittelpunkt. Darüber hinaus geht es auch darum, auf dem Hintergrund eines veränderten, positiveren Selbstkonzeptes, neue Perspektiven und Strategien für das eigene zukünftige Leben zu entwerfen.

[2] Stabilisierung grundlegender psychischer Funktionen und Ressourcenaktivierung


Bei einem traumatischen Ereignis wird der Glaube an die eigene Sicherheit in elementarer Weise erschüttert. Das kann Hilflosigkeit, Verzweiflung und Ohnmacht zur Folge haben.

Das Sicherheitsgefühl wieder herzustellen, die Empfindung von Selbstbestimmung und Kontrolle wiederzugewinnen, steht an erster Stelle in der Therapie. Sicherheit kann auf verschiedenen Ebenen zurückgewonnen werden.

  1. Äußere Sicherheit (z.B. kein Täterkontakt, keine real gefährliche Situation) ist hierbei die notwendige Voraussetzung für alles andere. Dazu gehört auch, dass eine sichere therapeutische Beziehung aufgebaut wird, so dass das therapeutische Umfeld selbst als sicherer Ort erlebt werden kann.
    In der Psychoedukation wird erklärt, dass die erlebten Symptome verstehbar sind als ganz normale menschliche Reaktion auf eine lebensbedrohliche Situation.
  2. Innere Sicherheit kann u.a. durch Imaginationsübungen wiedergewonnen werden indem man den scheinbar unkontrollierbaren Bildern des Ereignisses unterstützende und steuerbare Bilder entgegensetzt. So können z.B. Bilder vom Trauma an einem Ort niedergelegt werden zu dem nur der Betroffene Zugang hat (Tresor). Oder es können innere Helfer gefunden werden. Hierbei kann aufgebaut werden auf Bilder und Ressourcen, die dem Betroffenen schon früher geholfen haben. Man macht sich hier die Eigenschaft des Gehirns zu Nutze, dass im Erleben keine Unterscheidung gemacht wird zwischen tatsächlicher Situation und Phantasie. Andere Methoden zur Erlangung von innerer Sicherheit und Kontrolle sind Stressbewältigungs- und Selbstberuhigungstechniken (z.B. bestimmte Atemtechniken).

Die Stabilisierungsphase bildet auch die notwendige Vorbereitung für den Beginn der Konfrontationsphase. Diese kann nur begonnen werden, wenn wieder genügend Stabilität hergestellt wurde. Die in der Stabilisierungsphase erlernten Techniken werden jedoch auch während  Konfrontations- und Integrationsphase weiter angewandt.

[3] Trauma-Exposition


Zentrales Element bei der Behandlung einer Traumafolgestörung ist die Rekonfrontation mit dem auslösenden Trauma. Ziel ist die Durcharbeitung und Integration der traumatischen Erinnerungen unter geschützten therapeutischen Bedingungen.

Die Rekonfrontation mit dem Trauma ist wichtig, weil die traumatischen Erinnerungen anders im Gehirn abgespeichert wurden als „normale“ Erinnerungen. Normalerweise werden persönliche Erlebnisse so gespeichert, dass man nicht noch einmal alles wieder erlebt, wenn man daran erinnert wird. Bei traumatischen Erlebnissen ist das anders: ein solches Erlebnis ist sehr überwältigend und ganz anders als das, was man sonst im Alltag erlebt. Es passiert so plötzlich und unerwartet, dass man die Eindrücke nicht so schnell verarbeiten kann. Dies ist eine an sich normale und sinnvolle Reaktion des Körpers in Gefahrensituationen, in denen man ohne nachdenken zu können schnell handeln muss. Dadurch bleibt dann das Erlebnis aber sozusagen in Rohform im Gedächtnis „eingefroren“. Und immer wenn irgendwelche Reize (z.B. ein Geräusch oder ein Duft) an das Erlebnis erinnern, wird es in dieser Rohform aus dem Gedächtnis abgerufen. Sie haben dann die gleichen oder ganz ähnliche Gefühle, Sinneseindrücke und Körperempfindungen wie während des Ereignisses selbst. Durch diese Nichtverarbeitung kann das Erlebnis außerdem besonders leicht aus dem Gedächtnis abgerufen werden. Damit es zu einem Teil der Vergangenheit werden kann, der zwar schrecklich war, aber vorbei ist, ist es notwendig, dieses Erlebnis noch einmal genauer zu betrachten und zu sortieren. So erreicht man die damals nicht erfolgte Verarbeitung.

Dazu bieten sich verschiedene traumaspezifische Verfahren an. Diese werden im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplanes durchgeführt.

[4] Behandlungstechniken


Alle Behandlungstechniken verfolgen das Ziel, eine langfristige Abnahme der Angstreaktion zu erreichen. Dazu werden die Patienten in einem geschützten Rahmen mit dem traumatischen Ereignis gedanklich erneut konfrontiert.

Aufgrund der Vielzahl an verschiedenen Behandlungstechniken, sollen im Folgenden vier davon beispielhaft näher erläutert werden:

  1. Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
  2. Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR)
  3. Imagery Rescripting and Reprocessing Therapy (IRRT)
  4. Narrative Expositionstherapie (NET)

 

In der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) erfolgt eine Konfrontation mit dem traumatischen Erlebnis, indem dieses gezielt gedanklich wiedererlebt wird.

Das kann z.B. in Form von Lesekonfrontationen geschehen (der Klient liest und erzählt die „Traumageschichte“).

Möglich ist auch ein gezieltes Aufsuchen bisher  vermiedener Orte und Situationen, die an die Traumatisierung erinnern. Dies ist häufig mit einer starken Angst verbunden. Durch die wiederholte Konfrontation mit der eigenen Angst, kann der Patient erleben wie die Symptome schließlich langsam von selbst nachlassen (Habituation). Damit ist der Grundstein für eine Verarbeitung der Erlebnisse und damit Integration in die eigene Lebensgeschichte gelegt. Die Erinnerung an das Trauma wird bewusst abruf- und kontrollierbar.

 

Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) ist eine Technik, durch welche die Verarbeitung und Integration eines traumatischen Erlebnisses verbessert werden soll.

Hierbei konzentriert sich der Patient auf eine traumatische Erinnerung und folgt gleichzeitig mit den Augen den abwechselnden horizontalen links-rechts-Handbewegungen des Therapeuten. Alternativ kann auch eine akustische Stimulation über Kopfhörer oder eine abwechselnde Berührung an der linken und rechten Körperhälfte erfolgen.

Durch dieses Verfahren sollen beide Gehirnhälften aktiviert und somit die Verarbeitung und Integration belastender Situationen erleichtert werden.

Die EMDR-Methode wird häufig nicht als alleinige Therapie eingesetzt, sondern als ein Element in einer komplexeren traumaspezifischen Behandlung.

Die Imagery Rescripting and Reprocessing Therapy“ (IRRT) ist eine kognitiv-verhaltenstherapeutische Intervention insbesondere zur Behandlung von Typ-II-Traumata (z.B. multiple Traumata bei frühem sexuellen Missbrauchs). Unter Berücksichtigung der spezifischen Art des Trauma-Gedächtnisses kann hier ein therapeutischer Fokus auf bildliche Erinnerungen (imaginativen Elementen) sehr hilfreich sein. Menschen mit traumatischen Kindheitserinnerungen haben diese wie die dazugehörenden oft sehr negativen und belastenden Überzeugungen und Gefühle eher bildlich als verbal gespeichert. Aus diesem Grunde werden ergänzend imaginative (mit Bildern arbeitende) Verfahren eingesetzt, um den Zugang und die Bearbeitung zu erleichtern. In der Vorstellung wird dabei dem verletzten Ich von damals das Ich von heute helfend zur Seite gestellt. Traumatische Erinnerungsschemata von Hilflosigkeit, Schmerz und Angst werden aktiviert und mit neuen Ressourcen wie Bewältigungskompetenz, Trost und Liebenswert-Sein konfrontiert. Ziel ist es, nach einer Aktivierung traumatischer Erinnerungen Bewältigungs- und Stärkephantasien zu erarbeiten.

Die Narrative Expositionstherapie wurde ursprünglich für schwer- und mehrfachtraumatisierte Menschen in z.B. Kriegsgebieten, die nur wenige Therapiesitzungen bekommen können, entwickelt. Ihre Wirksamkeit ist jedoch auch für Typ-II-Traumata belegt. Das Ziel dieser Therapieform besteht darin, eine raumzeitliche Einbindung der traumatischen Ereignisse in die Lebensgeschichte zu erreichen, indem reine Fakten und extrem emotionale Aspekte dieser Situationen, die im Traumagedächtnis unverbunden sind, zusammengeführt werden.

Bei dieser Therapie verortet sich der Patient mit dem Therapeuten außerhalb des Traumas in der Gegenwart und erlebt in chronologischer Reihenfolge seine Lebensgeschichte wieder. Der Fokus liegt auf den negativen und traumatischen Ereignissen. In dieser Zeit liegende und ebenfalls wiedererlebte positive Ereignisse werden als Ressource wiederentdeckt. Durch das intensive Wiedererleben aktualisiert sich die Vergangenheit auf allen Ebenen in der Gegenwart (Gedanken, Gefühle, Körperhaltungen etc.). Diese immer neue Aktivierung lässt im Laufe der Zeit die Erlebnisse autobiographisch einordnen. Ergebnis dieser Therapie ist eine im Dialog mit dem Therapeuten gewonnene detaillierte und in sich schlüssige schriftliche Erzählung der Biographie.

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